Wann darf ein Mensch was tun? Dies definieren viele Gesetze durch konkrete Altersunterscheidungen. Doch gibt es auch im Datenschutzrecht definierte Altersgrenzen? In der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sind Regelungen für Minderjährige nicht so offensichtlich, wie in anderen Gesetzen. So definiert das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) klar, wann ein Mensch wie Geschäfte abschließen kann. Bis zum 7. Lebensjahr kann er das überhaupt nicht, danach kann er das nur beschränkt. Erst mit 18 Jahren ist man mit der Volljährigkeit uneingeschränkt geschäftsfähig. Mit 15 Jahren ist man nach dem Ersten Sozialgesetzbuch (SGB I) handlungsfähig. Nach dem Strafgesetzbuch (StGB) ist man mit 14 Jahren strafmündig, mit 18 Jahren ist man in einer Übergangsphase und erst ab 21 Jahren fällt man unter das Erwachsenenstrafrecht.
Das Grundrecht Datenschutz
Das Recht auf Datenschutz ergibt sich aus mehreren Grundrechten. Es ist sowohl in Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) als auch in Art. 8 EU-Grundrechtecharta verankert. Als Grundrecht steht der Datenschutz allen Menschen gleichermaßen zu. Das bedeutet, dass das Alter hierbei keine Relevanz hat und das Recht auf Datenschutz und somit die DS-GVO keine Altersgrenze hat. Somit gilt sie auch für Kinder, Minderjährige und sogar Babys uneingeschränkt. Hier unterscheidet sich die DS-GVO von Gesetzen wie dem StGB. Doch darf ein Minderjähriger uneingeschränkt handeln, oder gibt es wie im BGB oder dem SGB I beschränkende Vorschriften?
Klare Altersgrenzen in der DS-GVO
Die einzigen Regelungen mit Altersunterscheidungen betreffen den Schutz von Kindern und Minderjährigen. Sie stellen besondere Voraussetzungen an die Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Kindern und Minderjährigen. Dies thematisierten wir in unserem Beitrag vom 15. Juli 2022. Eine klar definierte Altersgrenze für konkrete Rechte gibt es, abgesehen von der Einwilligung, nicht.
Geltendmachung von Betroffenenrechten nach DS-GVO für Minderjährige
Das Datenschutzrecht ist das Persönlichkeitsrecht zur informationellen Selbstbestimmung und steht als solches der Person zu, die es betrifft. Somit gilt grundsätzlich, dass nur die betroffene Person die Betroffenenrechte aus der DS-GVO geltend machen kann. An dieser Stelle findet sich keine Altersgrenze. 2015, 3 Jahre vor Gültigkeit der DS-GVO, hat der Bundesgerichtshof (BGH) dies in einem Urteil bestätigt, in welchem er festgestellt hat, dass eine Altersunterscheidung nicht aus dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht hervorgeht. Auch mit Einführung der DS-GVO hat sich an dieser Ansicht nichts geändert. Das hat zur Folge, dass Rechte wie Löschung oder Berichtigung von Daten von den betroffenen Minderjährigen direkt eingefordert werden können.
Können Eltern die Rechte ihrer Kinder geltend machen?
Als Persönlichkeitsrecht stehen Betroffenenrechte lediglich den Betroffenen selbst zu. Das bedeutet, dass Eltern keine Rechte ihrer Kinder ausüben können. Inwieweit das Elternrecht hier greift, ist seitens des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Es besteht die Möglichkeit, dass Erziehungsberechtigte eine Auskunft über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ihres Kindes einfordern können, wenn dies der Information des Kindes dient. Selbiges gilt für die übrigen Betroffenenrechte. Bis zu welchem Grad bzw. Alter das Interesse der Eltern bei der Geltendmachung relevant sind, ist nicht fest geregelt.
Der Faktor Einsichtsfähigkeit
Die Grenze der Einsichtsfähigkeit, wie es sie bei der Einwilligung gibt, scheint hier eine sinnvolle Lösung zu sein. Einsichtsfähigkeit bedeutet, die Tragweite einer Einwilligung erfassen zu können. Ein Kind ist üblicherweise mit spätestens 16 Jahren einsichtsfähig. Dadurch ist es bei der Geltendmachung von Betroffenenrechten durch Eltern für ein älteres Kinders immer zu prüfen, ob sie dies für das Kind einfordern oder für ihre eigenen Interessen. Eine Auskunft an die Eltern eines einsichtsfähigen Kindes darf grundsätzlich nicht erfolgen.
Spätestens mit der Einsichtsfähigkeit erlangt das Kind die alleinige Befugnis über sein Persönlichkeitsrecht. Das bietet gerade bei sozialen Einrichtungen Konfliktpotential. Sollte nun ein Erziehungsberechtigter eine Auskunft verlangen, der einsichtsfähige Minderjährige jedoch ausdrücklich klarstellen, dass keine Informationen an den Erziehungsberechtigten herausgegeben werden dürfen, so überwiegt nach der DS-GVO das Recht des Kindes. Eine Auskunft darf in diesem Fall nicht erfolgen, zumindest nicht auf Basis der DS-GVO. Sollten andere Gesetze eine Auskunft legitimieren, dann darf eine Auskunft erfolgen. Zur Sicherheit sollten die auskunftsersuchenden Seite dies darlegen und der Datenschutzbeauftragten dies dann bestätigen. Dieser kann zudem bewerten, ob das Kind bereits als einsichtsfähig zu bewerten ist.
Fazit: Die DS-GVO hat keine Altersgrenze
Für alle Menschen gilt das Recht auf Datenschutz gleich. Die Rechte, welche sich daraus ergeben, können Menschen jeden Alters einfordern. Nach der DS-GVO gibt es nämlich keine Altersgrenze. Unklar ist allerdings, bis zu welchem Alter die Eltern für ihre Kinder im Rahmen des Elternrechts ihre Rechte geltend machen können. Unser Tipp: Orientieren Sie sich an der Einsichtsfähigkeit des Kindes! Prüfen und bewerten Sie dies stets im konkreten Einzelfall. Der Grad zu einer Datenschutzverletzung ist hierbei schmal und gesetzlich nicht klar definiert. Ziehen Sie daher bei Auskunftsersuchen von Eltern für ihre Kinder stets Ihren Datenschutzbeauftragten hinzu.
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von Marc Menz, 12.08.2022
Weiterführende Links:
- Urteil des BGH: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=70419&pos=0&anz=1
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