Anfang 2021 gab WhatsApp die Änderung der Nutzungs- und Datenschutzbedingungen bekannt. Damals entschloss ich mich, den WhatsApp-Ausstieg zu wagen und meinen Account zu löschen. Knapp ein Jahr und etliche Überzeugungsversuche von Bekannten später, hatte ich den Ausstieg dann endlich vollzogen. Es ist nun etwa ein halbes Jahr vergangen, seit ich den Account gelöscht habe. Was waren dabei meine Herausforderungen? Was veränderte sich durch meine Entscheidung? Lesen Sie meinen Erfahrungsbericht zu meiner Datenschutz-Challenge zum WhatsApp-Ausstieg und Sie erfahren es.
Wie alle anderen Blogautoren von ENSECUR arbeite ich als Datenschutzberater und unterstütze als externer Datenschutzbeauftragter verschiedene Organisationen im Datenschutz. Mehr über mich erfahren Sie Aus unserer Über uns Seite.
Warum entschied ich mich zum WhatsApp-Ausstieg?
Vielleicht fragt sich jetzt der eine oder andere, wie es denn sein kann, dass ein Datenschutzbeauftragter WhatsApp nutzt. Eine berechtigte Frage. Nennen wir es eine Jugendsünde 😉.
Für diejenigen, für die sich diese Frage nicht stellt, ist vermutlich dennoch interessant, weshalb ich mich dazu entschieden habe, aus WhatsApp auszusteigen. Ich nehme an, dass sich das für viele Leserinnen und Leser als unmögliches Unterfangen entpuppt, da wahrscheinlich bis auf wenige Ausnahmen der gesamte Bekanntenkreis über WhatsApp kommuniziert oder sich dort in Gruppen befindet, aus denen man nicht einfach aussteigen möchte. Das war auch bei mir so und dadurch wurde der Ausstieg zur Herausforderung.
Der WhatsApp-Ausstieg war in der praktischen Umsetzung nicht schwer. Mich hat vielmehr eine innere Hürde gehemmt, verbunden mit der Angst, sozial abgeschnitten zu sein und wichtige Informationen nicht mehr zu erhalten. Vielleicht erkennen Sie sich bei diesem Gedanken wieder. Natürlich hätte ich auch einfach nur parallel einen weiteren Messenger neben WhatsApp nutzen können, aber das hätte ich persönlich als nicht konsequent empfunden. Ich wollte aussteigen, damit WhatsApp mich dauerhaft als Nutzer verliert. Warum?
Ich bin einfach nicht damit einverstanden, wie WhatsApp mit den von uns anvertrauten Daten umgeht. Wie mittlerweile den meisten bekannt sein dürfte, ist WhatsApp Teil der Meta Platforms, Inc. (vormals Facebook). Es ist ein offenes Geheimnis, dass WhatsApp sämtliche Metadaten wie die Kontakte aus dem Adressbuch – egal ob der Kontakt WhatsApp selbst nutzt oder nicht – erfasst und an den Konzern übermittelt, sodass Meta Platforms die Daten für ihre Werbemaschinerie auf Facebook und Instagram nutzen kann. Da WhatsApp allerdings seiner Transparenzpflicht nur mangelhaft nachkommt, wofür WhatsApp eines der höchsten Bußgelder in der Geschichte der DS-GVO bekommen hat, ist es nach wie vor sehr nebulös, für welche sonstigen Zwecke der Konzern die Daten sonst noch verarbeitet. Das ist nicht vertrauenserweckend und birgt aufgrund der marktbeherrschenden Stellung und der Datensammelwut ein enormes Missbrauchspotential. WhatsApp kann mit den Daten im Prinzip alles, was man mit Daten machen kann, machen! Warum? Weil das niemand kontrollieren oder eindämmen kann und die Nutzer dies billigend in Kauf nehmen bzw. eigentlich schon aktiv akzeptieren. Wie sehen Sie das? Haben Sie die neuen Nutzungsbedingungen von WhatsApp durchgelesen oder haben Sie diese einfach blind akzeptiert, nichtwissend, welche Konsequenzen das hat?
Gefahren eines Monopols
Mir ist wichtig klarzustellen, dass es nicht mein Ansinnen ist, zum Boykott von WhatsApp aufzurufen. Auch wenn mein Ausstieg manchen Personen in meinem Bekanntenkreis so vorkam. Jeder darf und soll frei darüber entscheiden, welchen Messenger er nutzt und wem er seine Daten zur Verfügung stellt – wohlgemerkt ausschließlich seine und nicht die Daten von anderen wie zum Beispiel derjenigen, die WhatsApp gar nicht nutzen, aber deren Telefonnummer über das Adressbuch eines WhatsApp-Nutzers dennoch übermittelt wird.
Ich sehe es aber als äußerst problematisch an, dass WhatsApp so sehr verbreitet und inzwischen das gängigste Kommunikationsmittel ist, sodass sicherlich die meisten der Nutzer den Messenger verwenden, ohne näher darüber nachzudenken. Als ich WhatsApp in meiner Jugend zu nutzen begann, dachte ich auch:
„Das ist ja großartig, dass WhatsApp kein Geld kostet. Das sind ja wirklich herzensgute Menschen, die das entwickelt haben.“
Ich möchte auch keinem Mitarbeiter und keiner Mitarbeiterin bei WhatsApp oder Meta Böses unterstellen. Aber Fakt ist, dass hinter WhatsApp ein riesiger Konzern steckt, der Geld verdienen muss und Profit erwirtschaften will. Das war zwar damals noch nicht so, weil WhatsApp zu dem Zeitpunkt noch nicht von damals noch Facebook aufgekauft wurde, aber das hat mich damals auch nicht interessiert. Ich habe WhatsApp genutzt, weil es alle genutzt haben ohne einen Gedanken an Datenschutz zu verwenden. Insofern ging es mir bei meinem Ausstieg auch darum, auf dieses System und das Geschäft mit den Daten aufmerksam zu machen und insbesondere auf die Gefahren, die es birgt. Auch wenn ich mich wiederhole: Es ist mir sehr wichtig, dass jeder frei entscheiden kann, wie er oder sie sein Leben gestaltet und wem man seine Daten anvertraut. Echte Freiheit kann es jedoch nur geben, wenn es Alternativen anstatt eines Monopols gibt. Gibt es die, wenn jeder WhatsApp nutzt?
Mit den potentiellen Risiken beschäftigte ich mich bereits ausführlich und ich verweise für mehr Informationen gerne auf meinen damaligen Blogbeitrag zum Thema Marktmacht von WhatsApp, der das Thema ausführlich beleuchtet. Mein Fazit damals war, dass letztlich nur die Nutzer von WhatsApp etwas gegen die Marktmacht von WhatsApp und einen potentiellen Datenmissbrauch unternehmen können. Und zwar nur dann, wenn die Nutzer WhatsApp nicht mehr nutzen. Klar, dass dieser Appell auch für mich selbst galt.
Was waren die Herausforderungen meines WhatsApp-Ausstiegs?
Natürlich war es herausfordernd, aus WhatsApp auszusteigen. Ich wollte mich digital nicht sozial isolieren und den Kontakt zu den mir wichtigen Menschen nicht einfach so abbrechen. Ich hatte also nur die Möglichkeit, die Leute von alternativen Messengern zu überzeugen. Die Schwierigkeit lag hier insbesondere bei Gruppen. Mit Einzelpersonen kann man relativ leicht über andere Kanäle wie E-Mail, SMS oder Telefon oder, ganz verrückt, von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. Aber die klassischen Gruppenchats funktionieren naturgemäß nur dann, wenn man sich in einer gemeinsamen Chatgruppe im selben Messenger befindet. Die größte Herausforderung lag also primär darin, die Gruppen zu anderen Messengern „umzuziehen“. Erstaunlicherweise hat das bei fast allen Gruppen gut funktioniert. Bei manchen hat das aufgrund einzelner Personen etwas gedauert und zusätzliche Überzeugung benötigt, aber die für mein tägliches Leben elementaren Gruppen konnte ich alle überzeugen, den Messenger zu wechseln bzw. zusätzlich zu nutzen.
Selbstkritisch gebe ich zu, dass ich den WhatsApp-Ausstieg voraussichtlich nicht durchgezogen hätte, wenn die entsprechenden Personen nicht mitgemacht hätten. Ich wollte schließlich nicht die Extrawurst sein, die immer gesondert zu informieren ist. Außerdem bin ich sicher, dass mancher Gruppe längerfristig gar nicht aufgefallen wäre, dass ich nicht mehr Teil der Gruppe bin oder man hätte mir vorgeworfen, dass ich selbst schuld daran sei, dass ich manche Informationen nicht mehr bekomme. Und das kann ich verstehen. Ich habe meine Meinung, aber es gibt auch andere Meinungen und die gilt es genauso zu akzeptieren.
Was verpasse ich seit meinem WhatsApp-Ausstieg? Hat es sich gelohnt?
Seit ich WhatsApp nicht mehr nutze und ich Gruppen verlassen habe bzw. ich zu diesen zwangsläufig nicht mehr hinzufügt werden kann (z.B. zur klassischen Geburtstagseinladungs-Gruppe) ist es so, dass ich manches nicht mitbekomme oder erst später oder über Umwege erfahre. Nicht das die Leute mich tatsächlich vergessen haben, man denkt schlicht nicht daran, mich gesondert zu informieren.
Letztlich sind das aber Einzelfälle und es bleibt das gute Gefühl, dass ich innerhalb eines Jahres einige Menschen dazu bewegt habe, zu Alternativen zu wechseln, von denen ich das nicht zwingend erwartet hätte. Mein kleiner Beitrag für eine bessere Datenschutzwelt von morgen.
Fazit und Erkenntnisse meines WhatsApp-Ausstiegs
Der Ausstieg aus WhatsApp war eine (Datenschutz)-Challenge für mich. Wenn es mir nicht gelungen wäre, die Mehrheit meiner Bekannten und wichtige Kommunikationspartner für Alternativen zu gewinnen, wäre ich vielleicht nicht aus WhatsApp ausgestiegen. Aber es hat funktioniert! Rückblickend habe ich festgestellt, dass mir WhatsApp nicht fehlt – trotz der einen oder anderen nicht oder zu spät erhaltenen Information. Der Tag X war tatsächlich eher eine Befreiung. Metaphorisch gesprochen bin ich dadurch nämlich den Fängen einer der großen Datenkraken entkommen.
Ich lernte jedoch auch, dass ich meine Bekannten nicht einen anderen Messenger aufzwingen sollte (was ich zunächst versucht habe). Die oben angesprochene Wahlfreiheit ist natürlich auch nicht gegeben, wenn alle nur einen datenschutzfreundlichen Messenger anstatt WhatsApp nutzen. Neben Datenschutz gibt es schließlich noch andere Gründe, warum man einen Messenger nutzt oder nicht nutzt. Es sollte immer mehrere Auswahlmöglichkeiten am Markt geben, so dass eine wirkliche Wahl möglich ist. Sonst besteht immer die Gefahr, dass ein Unternehmen diese Position unlauter ausnutzt. Datenschutzfreundlich sollte aber jede Alternative sein. Wenn WhatsApp sich irgendwann als datenschutzfreundlicher Messenger erweist, kann das auch für mich wieder eine Alternative werden.
Es hat sich für mich auf jeden Fall bewährt, mehrere Kommunikationskanäle zu nutzen (verschiedene datenschutzfreundliche Messenger, E-Mail, SMS). Das ist zwar manchmal etwas mühsam, aber funktioniert durchaus gut und hat mich in der vor dem Ausstieg aus WhatsApp getroffenen steilen These bestätigt:
Die Welt dreht sich auch ohne WhatsApp immer noch weiter!
Verfasser: Bastian Maute, 23.09.2022
Hinweis: Dieser Beitrag beinhaltet die persönliche Meinung des Autors und muss nicht mit der Meinung von ENSECUR übereinstimmen.
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