Stellen Sie sich folgenden Sachverhalt vor:
Eine soziale Einrichtung möchte einen Imagefilm drehen, um die Einrichtung in der Öffentlichkeit zu bewerben. Hierfür sollen insbesondere betreute Kinder gefilmt werden, was nur auf Basis einer Einwilligung möglich ist. Da die Kinder noch minderjährig sind, unterschreibt auf der Einwilligung der Vater. Dann passt ja alles! Der Film wird gedreht und online veröffentlicht. Plötzlich erreicht die Einrichtung eine E-Mail. Es ist die Mutter, die überhaupt nicht damit einverstanden ist, dass ihr Kind im Video und im Internet auftaucht und widerruft postwendend die Einwilligung.
Was nun? Ist der Widerruf der Mutter überhaupt gültig, wenn der Vater zuvor zugestimmt hat? Welche Erklärung sticht hier welche aus? Kann ein Elternteil überhaupt alleine zustimmen oder ist die Einwilligung beider Erziehungsberechtigten erforderlich?
Womöglich ein eher seltener Sachverhalt, dennoch sind diese in der Praxis schon vorgekommen. Juristisch betrachtet ist dies eine hochinteressante Problemstellung, also schauen wir uns das mal genauer an.
Bis zu welchem Alter ist die Einwilligung der Erziehungsberechtigten notwendig?
Bevor wir in die juristische Betrachtung gehen, stellt sich erstmal die Frage, bis zu welchem Alter die Einwilligung der Erziehungsberechtigten überhaupt erforderlich ist. Das beantwortet die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) leider nicht eindeutig. Auf der Webseite des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg äußert sich die Aufsichtsbehörde zur Einwilligungsfähigkeit von Kindern wie folgt:
„Ab welchem Alter Kinder selbst wirksam die Einwilligung in die Verarbeitung der sie betreffenden Daten durch Dritte erteilen können, hat die DS-GVO nicht eindeutig geregelt. Nach der Definition in Art. 4 Nr. 11 DS-GVO muss die betroffene Person freiwillig und in informierter Weise zu verstehen geben, dass sie mit der Verarbeitung ihrer Daten einverstanden ist. Daraus lässt sich ableiten, dass die betroffene Person fähig sein muss, Bedeutung und Tragweite ihrer Erklärung zu erfassen. Zu der Frage, ab welchem Alter davon auszugehen ist, enthält die DS-GVO nur vereinzelte Aussagen. So regelt etwa Artikel 8 DS-GVO, dass bei einem direkt an ein Kind gerichteten Angebot von Diensten der Informationsgesellschaft das Kind selbst wirksam in die Datenverarbeitung einwilligen kann, wenn es 16 Jahre alt ist. Ist es jünger, bedarf es (auch oder stattdessen) der Zustimmung der Erziehungsberechtigten. Inwieweit diese Regelung der DS-GVO auf andere Einwilligungserklärungen durch Minderjährige verallgemeinerungsfähig ist, ist allerdings umstritten.“
(Quelle: https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/fotografierverbot-an-schulen/, letzter Zugriff am 29.01.2021)
Ab wann kann eine minderjährige Person selbst einwilligen?
Der Maßstab für die Bewertung, bis zu welchem Alter Eltern anstatt des Kindes oder zusätzlich unterschreiben müssen, ist also nicht das Alter selbst (ausgenommen Art. 8 DS-GVO ist anwendbar), sondern ob eine minderjährige Person fähig ist, die Tragweite der Entscheidung zu erfassen. 16 Jahre scheint hier eine durchaus plausible Altersgrenze zu sein, da man Minderjährigen mit 16 durchaus eine Entscheidungsfähigkeit zusprechen kann. Zum Beispiel ist in Deutschland auch der Kauf und Konsum von Bier und Wein ab 16 Jahren erlaubt. Dies ist ein Indikator dafür, dass 16-jährige fähig sind, verantwortungsvolle und selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können. Spätestens mit Eintritt in die Volljährigkeit (18 Jahre) und dem damit einhergehenden Erreichen der Geschäftsfähigkeit ist der Punkt erreicht, dass die Einwilligung der Eltern nicht mehr notwendig ist.
Rechtliche Bewertung
Zurück zur eigentlichen Problemstellung: Ist eine Einwilligung eines Elternteils überhaupt ausreichend?
Was sagt die DS-GVO zur Einwilligung der Erziehungsberechtigten?
Die DS-GVO hilft hierzu nicht wirklich weiter. In Art. 8 DS-GVO, der sich allerdings, wie bereits oben erwähnt, ausschließlich auf Dienste der Informationsgesellschaft bezieht und daher auf viele Einwilligungen nicht anwendbar ist, ist die Einwilligung bei Minderjährigen vom „Träger der elterlichen Verantwortung“ erforderlich. Ob dies nun beide Elternteile zusammen sind oder auch nur ein Elternteil sein kann, wird nicht deutlich.
Woraus lässt sich dann ein Hinweis für die korrekte Vorgehensweise ableiten?
Ein Hinweis findet sich im nationalen Recht in § 1629 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In Abs. 1 Satz 2 heißt es dort:
„Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich.“
Das wiederum ist deutlich. Es ist jedoch fraglich, ob diese Vorschrift so auf die datenschutzrechtliche Einwilligung der DS-GVO übertragbar ist. Die DS-GVO genießt als europäische Verordnung Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Da allerdings weder die DS-GVO konkrete Regelungen enthält, noch europäische Regelungen zum Familienrecht existieren, kann der oben genannte Hinweis aus dem BGB durchaus als geeignete rechtliche Norm herangezogen werden.
Was für Ausnahmeregelungen kann es zur Einwilligung beider Erziehungsberechtigten geben?
Wie immer kann es von diesem Grundsatz jdeoch Ausnahmen geben (z.B. alleiniges Sorgerecht). Im Urteil vom 28.06.1988 (Az. VI ZR 288/87) hat der BGH zudem festgestellt, dass eine Einwilligung eines Elternteils ausreichen kann, wenn es sich nicht um eine schwierige und weitreichende Entscheidung handelt. Gegenstand der BGH-Entscheidung war jedoch ein medizinischer Eingriff. Wann also eine Entscheidung in die Verarbeitung personenbezogener Daten derart schwierig und weitreichend ist, dass beide Elternteile die Einwilligung geben müssen, lässt sich hieraus nicht konkret ableiten.
Was ist die empfehlenswerte Vorgehensweise?
Empfehlenswert und die rechtssichere Lösung ist, dass die Einwilligung von beiden Erziehungsberechtigten unterzeichnet werden muss. Warum?
- Wenn es ausreicht, dass nur ein Elternteil zustimmt, kann die Einrichtung zwar die Daten rechtmäßig verarbeiten. Sie läuft jedoch Gefahr, dass der andere Elternteil die Einwilligung widerruft. Prinzipiell könnte ja jeder Elternteil alleine zustimmen und selbstverständlich auch widerrufen. Daraus könnte ein „Hin und Her“ für die Einrichtung entstehen. Im Beispiel vom Imagefilm muss dann unter Umständen auch der Film aufwendig überarbeitet werden, weil die Datenverarbeitung bei einem Widerruf umgehend einzustellen ist. Selbst wenn die Einrichtung Vertrauensschutz genießt und den Widerruf des anderen Elternteils nicht akzeptieren muss, kann ein solcher Sachverhalt zu einem handfesten Familienrechtsstreit ausarten. Das betrifft die Einrichtung zwar nicht unbedingt direkt. Für die Familie und insbesondere für das betroffene Kind kann dies allerdings eine enorme Zerreißprobe darstellen.
- Wenn beide Elternteile die Einwilligung ausschließlich zusammen erteilen können, wäre eine Einwilligung, die nur ein Elternteil erteilt hat, ungültig. Wenn die Verarbeitung, wie im Beispiel das Filmen des Kindes, dann trotzdem stattfindet, so wäre das mangels Rechtsgrundlage nicht rechtmäßig.
Fazit
Rechtssicherheit ist also nur dann gegeben, wenn bei Minderjährigen beide Erziehungsberechtigten unterschreiben. Es ist daher empfehlenswert, dass Einwilligungserklärungen immer separate Unterschriftsfelder für jeweils ein Elternteil aufweisen. Mit Blick auf Art. 8 DS-GVO sollte die Einrichtung diesen Ansatz umsetzen. In Absatz 2 heißt es dort, dass der Verantwortliche angemessene Anstrengungen unternimmt, um sich zu vergewissern, dass die Einwilligung durch den Träger der elterlichen Verantwortung erteilt wurde. Zudem dürfen soziale Einrichtungen Daten nur verarbeiten, wenn eine Rechtsgrundlage, in diesem Fall die wirksame Einwilligung, zugrunde liegt.
Daher ist zu empfehlen, dass soziale Einrichtungen aktiv darauf hinwirken, dass beide Elternteile auf der Einwilligungserklärung unterschreiben. In einigen Fällen kann dies die Dauer des Rücklaufs der Einwilligung durch getrennte Elternteile oder Patchwork Familien erhöhen. Die Rechtssicherheit sollte jedoch diesen Zusatzaufwand Wert sein.
Autor: Bastian Maute, 05.02.2021
Bild von geralt auf Pixabay
Sie möchten mehr über Datenschutz in Sozialen Einrichtungen erfahren? Folgen Sie dem Link zu unserem White Paper zum Thema Datenschutz in sozialen Einrichtungen