Über die Nutzungsbedingungen bei WhatsApp ist die letzten Monate viel geschrieben und diskutiert worden. Der Anlass zu den Diskussionen waren die geplanten Änderungen der Nutzungs- und Datenschutzbedingungen im Februar 2021, die den Datenaustausch mit dem Mutterkonzern Facebook legitimieren sollten. Die Änderungen waren verbunden mit der Drohung: „Wer die neuen Bedingungen nicht liebt, der fliegt!“
Sowohl gesellschaftlich als auch politisch ging ein Aufschrei durch die Datenschutzwelt. Die Downloadzahlen von alternativen Messengern sind in die Höhe geschnellt. Das ist auch WhatsApp nicht entgangen, sodass der Anbieter die Aktivierung der neuen Bedingungen um 3 Monate in den Mai 2021 verschoben hat. Tatsächlich sind bis heute nur vereinzelte Fälle bekannt, dass Nutzer, die die Nutzungsbedingungen bei WhatsApp bis dato nicht akzeptiert haben, den Messenger nicht mehr nutzen können. Allerdings sind diese Sachverhalte auf ein fehlendes Softwareupdate zurückzuführen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Nutzung Schritt für Schritt bis zur Nicht-Nutzbarkeit eingeschränkt wird, wenn Nutzer die neuen Bedingungen nicht akzeptieren.
Neue Nutzungsbedingungen bei WhatsApp wegen Facebook
Auch wenn WhatsApp weiterhin beteuert, dass sich für EU-Nutzer nichts ändern wird und WhatsApp Daten nicht mit Facebook teilt, so ist das doch eher fraglich. Als Facebook WhatsApp 2014 kaufte, betonte Facebook auch, dass WhatsApp „eigenständig bleiben und unabhängig arbeiten“ wird.
Aber letztlich ist es auch nur logisch, dass WhatsApp mit den gesammelten Daten Geld verdienen muss, schließlich ist der Messenger für die User kostenlos und der Kaufpreis betrug 2014 stolze 19 Milliarden Dollar! Man darf als Nutzer also auch nicht erwarten, dass ein Messenger, der nichts kostet, tatsächlich kostenlos ist. Letztendlich bezahlen die Nutzer mit ihren Daten. Selbstverständlich entscheidet beim Datenschutz jeder für sich, wie er mit seinen Daten umgeht. Das ist okay. Problematisch ist jedoch, wenn ein Anbieter seine Marktmacht missbraucht, weil jeder diesen Quasistandard nutzt, da er ansonsten viele Informationen aus seinem Umfeld schlichtweg nicht mehr erhält. Das ist nicht okay!
Bemerkung vorab: In diesem Beitrag soll es nicht um eine rechtsdogmatische Auseinandersetzung gehen, ob und unter welchen Voraussetzungen WhatsApp Daten mit Facebook teilen darf oder nicht. Vielmehr soll dargelegt werden, dass mit einer starken Marktmacht das Potential eines Datenmissbrauchs durch WhatsApp steigt und zukünftig Konsequenzen haben kann.
Wo liegt das Problem mit den neuen Nutzungsbedingungen bei WhatsApp?
Es ist kein Geheimnis, dass WhatsApp nicht der größte Anhänger von Datenschutz ist. Wie die meisten kostenlosen digitalen Dienste, will WhatsApp mit Daten Geld verdienen. Wenig überraschend benötigt das Unternehmen dafür mehr Daten, als tatsächlich erforderlich wären. Interessant sind für WhatsApp dabei nicht die Inhalte der Chatnachrichten (diese sind Ende-zu-Ende verschlüsselt). Interessant sind die Metadaten. Was sind Metadaten und warum sind die so interessant? Neben selbst angegebenen Daten wie Anzeigename, Profilbild oder Status sammelt WhatsApp insbesondere auch sämtliche Kommunikationsmetadaten, sodass WhatsApp nachvollziehen kann, welcher Nutzer mit wem wie oft und wie lange kommuniziert.[1] Dadurch entsteht ein umfassendes Profil des Nutzers, auch wenn der Inhalt der Kommunikation geschützt bleibt. Wenn WhatsApp diese Daten mit Facebook teilt, kann Facebook die ohnehin schon zahlreich vorhanden Profilinformationen weiter anreichern.
Ein konstruiertes Beispiel:
1. Ein männlicher Nutzer telefoniert 30 Minuten mit der Aidshilfe und anschließend mit dem Hausarzt. WhatsApp weiß natürlich nicht, um was es in den Gesprächen ging, könnte jedoch einen Zusammenhang konstruieren.
2. WhatsApp übermittelt die Daten an Facebook. Ein Algorithmus spielt dem Nutzer auf Facebook dann eine passende Anzeige zu, sodass dieser beim nächsten Login Werbung für die medizinische Weltneuheit aus Timbuktu, die endlich Aids heilen kann, sieht. Wenn sich zufälligerweise zu diesem Zeitpunkt noch die Freundin im Facebook Account einloggt, fragt sie sich vielleicht, warum ihr Freund Werbung für Aids-Medikamente angezeigt bekommt.
Ist das utopisch? Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Das Geschäftsmodell von Facebook beruht darauf, mit Werbung Geld zu verdienen. Zudem könnte WhatsApp wie die weiteren Facebook-Dienste (z.B. Instagram) zukünftig zur Werbeplattform ausgebaut werden, sodass man bald auch dort mit Werbeanzeigen von Facebook überflutet wird.
Die Daten der Anderen
Wie bereits angesprochen kann, darf und soll jeder über seine Daten nach eigenem Gusto entscheiden. Wen das obige Beispiel nicht abschreckt, möge WhatsApp selbstverständlich gerne weiter nutzen. Aber es geht ja noch weiter. WhatsApp sammelt nicht nur die Daten des Nutzers, sondern auch sämtlich Kontaktdaten aus dem Adressbuch des Smartphones. Es ist dabei egal, ob der Adressbuchkontakt selbst WhatsApp Nutzer ist oder nicht. Das heißt, selbst wer WhatsApp nicht nutzt, wird kaum verhindern können, dass seine Kontaktdaten trotzdem mittels WhatsApp bei der Datenkrake Facebook landen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass keiner der privaten Kommunikationspartner WhatsApp auf dem Smartphone installiert hat, dürfte äußerst gering sein. Jeder darf über seine Daten selbst entscheiden. Das Problem ist jedoch, dass der Nutzer auch eine Entscheidung über die Daten anderer trifft.
Dieser Konflikt ist bei Nutzung von WhatsApp nicht lösbar. Vielen ist das bewusst, vielen vielleicht auch egal. Da die strengen Regeln der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) für persönliche oder familiäre Angelegenheiten nicht gilt, bleibt das im Privaten meist ohne Folgen. Wenn die DS-GVO jedoch gilt, sieht das anders aus. Deshalb können Unternehmen und sozialen Einrichtungen WhatsApp nicht datenschutzkonform einsetzen. Alle dienstlichen Kontakte im Smartphone werden ohne Rechtsgrundlage an WhatsApp und über kurz oder lang an Facebook übermittelt.
Wohin führt die Datensammlung von WhatsApp?
Es ist relativ simpel: Wer so eine außerordentliche Marktmacht hat wie WhatsApp, kann im Prinzip machen, was er will. Selbst wenn WhatsApp bzw. Facebook mal ein hohes Bußgeld kassiert, wird das dem Konzern kaum wehtun, weil das Geschäft mit den Daten einfach zu lukrativ ist. Das bedeutet nicht, dass jedes Unternehmen, welches eine hohe Marktmacht hat, Daten zwangsläufig unlauter verwendet, aber das Potential zum Datenmissbrauch ist definitiv vorhanden – einfach nur weil das Unternehmen es sich leisten kann. Langfristig führt das zum Plattform-Kapitalismus, das bedeutet Konzentration der Marktmacht und Kleinhalten von Wettbewerbern und das Diktieren der Marktbedingungen. Mangels Alternativen bedeutet das dann für die User: „Friss oder stirb!“
Wie lässt sich das aufhalten? Alle Akteure der Gesellschaft, seien es Privatnutzer, Vorstände und Geschäftsführer von Unternehmen oder Leitungskräfte von Behörden handeln und denken um.
Der Machtkampf hat bereits begonnen
Tätigkeit der Aufsichtsbehörden
Können die Aufsichtsbehörden das nicht verhindern? Zunächst hatte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte reagiert und WhatsApp eine Untersagung für die Datenübermittlung an Facebook ausgesprochen. Zudem hat er ein Dringlichkeitsverfahren beim Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) gem. Art. 66 Abs. 2 DS-GVO eingeleitet, um endgültige Maßnahmen zu erwirken, die die Datenübermittlung an Facebook verhindern. Allerdings hat der EDSA diesen Eilantrag abgelehnt, auch wenn er eine „hohe Wahrscheinlichkeit von Verstößen“ feststellte. Immerhin wurde die irische Datenschutzaufsichtsbehörde aufgefordert (diese ist für den europäischen Standort von Facebook in Irland eigentlich zuständig), die Sachlage zu untersuchen.
Auch außerhalb Europas sind die brasilianische Datenschutzbehörde und die indische Regierung bereits gegen die neuen Nutzungsbedingungen bei WhatsApp vorgegangen und haben das Unternehmen zur Aussetzung der Aktivierung der neuen Bestimmungen aufgefordert.[2]
Abmahnungen und Klagen zu den Nutzungsbedingungen bei WhatsApp
Aber nicht nur Datenschützer sind aktiv, auch die Verbraucherzentrale Bundesverband und das Bundeskartellamt haben vor einigen Jahren bereits Maßnahmen ergriffen.[3] 2016 hat die Verbraucherzentrale Bundesverband eine Abmahnung gegen die Übermittlung von Daten von WhatsApp an Facebook ausgesprochen und anschließend Klage beim LG Berlin eingereicht, weil WhatsApp nicht auf die Abmahnung reagiert hatte (Entscheidung zum Zeitpunkt des Blogbeitrags noch ausstehend). Das Bundeskartellamt hat 2019 mit einem Beschluss die Zusammenführung von Daten innerhalb des Facebook Konzerns zu Profilen verboten. Facebook wehrt sich juristisch gegen diesen Beschluss, auch hier gibt es noch keine Entscheidung.
Welche Alternativen zu WhatsApp gibt es auf dem Markt?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage nach den Alternativen zu WhatsApp. Diese gibt es nämlich. Die bekanntesten und noch am ehesten verbreiteten sind Telegram, Signal und Threema. Ein Kurzüberblick:
Telegram
Telegram ist ein kostenloser Messenger aus Russland, der sehr bedienungsfreundlich und populär ist. Wem aber Datenschutz wichtig ist, dem sei von der Nutzung abgeraten. Zum einen bietet Telegram keine standardmäßige Ende-zu-Ende Verschlüsselung der Nachrichten an. Zum anderen glänzt der Anbieter eher mit Intransparenz. Weder wird dargelegt, wie Telegram mit Metadaten umgeht, noch gibt es einen festen Unternehmenssitz, womit sich das Unternehmen vor Kontrollen schützen kann.
Signal
Signal ist ebenfalls ein kostenloser Messenger aus den USA. Allerdings ist Signal im Vergleich zu WhatsApp kein kommerziell getriebener Anbieter, sondern eine gemeinnützige Stiftung (Signal Fundation), die sich nur aus Spendengeldern finanziert und sich dem Datenschutz verschrieben hat. Die Nachrichten sind wie auch bei WhatsApp Ende-zu-Ende verschlüsselt. Signal verarbeitet zudem kaum Metadaten und setzt auch keine Tracking-Technologien ein. Wer Wert auf Datenschutz legt, hat mit Signal eine schöne Alternative.
Threema
Hinter Threema steckt ein Schweizer Anbieter. Die App ist kostenpflichtig. Für eine Messenger App zu bezahlen, schreckt manche Nutzer möglichweise ab. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass dieses Modell für Vertrauen sorgt, da Threema nicht mit Daten Geld verdienen muss. Auch Threema verschlüsselt Nachrichten Ende-zu-Ende und beschränkt die Verarbeitung von Metadaten auf ein notwendiges Minimum. Im Vergleich zu den vorab genannten Anbietern, kann Threema sogar ohne die Angabe einer Telefonnummer vollständig anonym genutzt werden. Wer Threema nutzt, bekommt zu Beginn eine zufällig generierte ID zugewiesen, die der Identifikation dient.
Aus Sicht des Datenschutzes eine sehr gute Alternative. Für Soziale Einrichtungen und Unternehmen bietet der Anbieter mit Threema Work zudem eine Lösung für die gewerbliche Nutzung an.
Weitere Möglichkeiten auf die neuen Nutzungsbedingungen bei WhatsApp zu reagieren
Die oben genannten Alternativen sind nur eine kurz umrissene Auswahl. Es gibt auch noch weitere Möglichkeiten wie Briar oder Element. Eine schön aufbereitet Übersicht sowie nähere Informationen zu den einzelnen Messengern finden Sie auf dem Blog von Mike Kuketz (Links siehe unten), der als Penetrationtester tätig und beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg angestellt ist.
Fazit – Ihr Handeln zu den neuen Nutzungsbedingungen bei WhatsApp macht den Unterschied
Wie bereits mehrfach betont, ist es jedem Privatnutzer selbst überlassen, welchen Messenger er nutzen möchte. Es gibt durchaus noch andere Argumente außerhalb des Datenschutzes wie Bedienungsfreundlichkeit oder die Verbreitung des Messengers im Bekanntenkreis. Es wird auch nie nur eine Lösung geben.
Wir als Gesellschaft dürfen in Sachen Datenschutz nicht abstumpfen und uns nicht alles gefallen lassen. Unser Handeln macht den Unterschied. Wir können uns nicht alleine auf die Behörden verlassen, die zwar ihr Bestes geben, deren Möglichkeiten manchmal jedoch wie die eines zahnlosen Tigers wirken. In der Marktwirtschaft bestimmt die Nachfrage das Angebot. Wenn viele Milliarden Menschen WhatsApp statt verfügbarer datenschutzfreundlicher Alternativen nutzen, wird WhatsApp seinen Umgang mit Daten nie ändern, weil es das Unternehmen schlicht nicht nötig hat. Die Reaktion von WhatsApp auf gestiegene Downloadzahlen alternativer Messengerdienste zeigt, dass der Endkunde hier durchaus einen gewissen Stellhebel hat.
Ich finde, dass die Sensibilität für Datenschutz ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft werden muss und damit muss sie, ähnlich wie beim Klimaschutz, umgehend beginnen. Nur wenn wir uns wehren, besteht die kleine Chance, dass die digitale Welt von morgen nicht zum Datenschutzalbtraum wird.
Sie nutzen in Ihrem Unternehmen oder Ihrer sozialen Einrichtung WhatsApp und haben Bedenken? Dann seien Sie ermutigt und denken Sie um! Wir unterstützen Sie gerne!
Hilfreiche Links:
Übersicht über Messenger in Messenger-Matrix von Mike Kuketz
Artikelserie von Mike Kuketz, in welcher sämtliche Alternativen beleuchtet werden.
[1] Jandt, „Über Marktmacht zur Datenmacht – Ist eine Machtbeschränkung möglich?“, ZD 2021, 341, 341.
[2] Jandt, „Über Marktmacht zur Datenmacht – Ist eine Machtbeschränkung möglich?“, ZD 2021, 341, 342.
[3] Jandt, „Über Marktmacht zur Datenmacht – Ist eine Machtbeschränkung möglich?“, ZD 2021, 341, 342.